Was, wenn ich nicht gut genug bin?

Was, wenn ich nicht gut genug bin?

Wie die Angst vor dem Entlarvtwerden Kreativität blockiert – und wie du trotzdem ins Tun kommst

Du hast eine Idee, gehst mit Elan los, in deiner Fantasie siehst du alles genau vor dir: das fertige Bild, den abgeschlossenen Text, die Ausstellung mit den eigenen Bildern, die Webseite, auf der du dein neues Angebot zeigst. Und dann kommt da diese innere Stimme:

Was, wenn ich gar nicht gut genug bin?“

Dieser Satz trifft dich dort, wo es persönlich wird. Nicht allein im Kopf, nein, er trifft dich tiefer. In deinem Innersten, in deinem Selbstbewusstsein, in deiner Überzeugung. Und zack ist die Angst da, dass andere dich sehen, das, was du geschaffen hast, dein Angebot – und du womöglich nicht genügst.

Ich kenne diese Angst ganz genau und meine innere Stimme kennt viele Varianten, sie zu formulieren:

„Was, wenn jemand merkt, dass ich keine Ahnung habe?“

„Wie kann ich damit ernsthaft losgehen wollen, wenn andere doch offenkundig besser sind?“

„Um mich zu zeigen, muss ich mich erst noch besser vorbereiten / einarbeiten / ein Buch dazu lesen / einen Kurs belegen.“

„Was, wenn Fragen kommen, zu denen ich keine Antwort habe?“

„Ich werde als Hochstaplerin auffliegen. Dieses Mal ganz bestimmt.“

Und das ist nur eine kleine Auswahl dessen, was diese innere Stimme so alles herzaubert, um mich garantiert aufzuhalten.

Die Stimme war bisher sehr erfolgreich. Bis mir kurz hintereinander von drei unterschiedlichen Menschen, die mich lange kennen, Sätze gesagt wurden, die mich getroffen und mir zu denken gegeben haben:

„Früher hattest du mehr Biss.“

„Du bist viel zu zögerlich.“

„Du benimmst dich immer als seist du eine Anfängerin.“

Bämm.
Alle drei Sätze haben gesessen. Alle drei haben mich gekränkt, mir vor Augen geführt, dass ich offenbar überhaupt nicht der Mensch bin, der ich immer sein wollte.

Gleichzeitig haben mich die Sätze wütend gemacht, meinen „Ich zeig’s euch!“-Nerv getroffen. Ja, ich war auch kurz sauer auf diejenigen, die diese Sätze gesagt haben. Und ich stand da mit einer wichtigen Erkenntnis – und zugleich völliger Ratlosigkeit: Mir wurde klar, warum ich nicht vom Fleck kam, aber ich hatte keine Ahnung, wie ich es ändern sollte.

Ich muss gestehen, ich arbeite noch immer daran, den Ängsten auf die Spur zu kommen und sie zu überwinden. Aber ich bin auch einem guten Weg. Ich bin hier, zeige mich mit meinen Gedanken, meinem Tun und versuche anderen zu helfen, vielleicht eine Abkürzung zu nehmen.

Meine erste Botschaft an dich:

Die Angst, „nicht gut genug“ zu sein, ist nicht die Wahrheit.

Die Angst ist ein Schutzmechanismus. Vielleicht gut gemeint, aber trotzdem blöd.

Die Angst ist überhaupt kein Beweis für mangelndes Talent oder Können oder mangelnden Willen. Sie ist vielmehr ein Zeichen dafür, dass dir etwas wirklich wichtig ist.

Dass du etwas zeigst, das mehr ist als eine Technik oder Leistung: du zeigst dich selbst.

Und genau das ist der Punkt, das Risiko. Aber auch die Chance.

Das Impostor-Gefühl: Wenn du glaubst, du täuschst nur etwas vor

Vor allem Frauen erleben das sogenannte Hochstapler-Syndrom:
Sie haben Fähigkeiten, Talente, sogar Erfolge, aber sie fühlen sich trotzdem, als würden sie nur so tun „als ob“.

„Wenn die wüssten, dass ich eigentlich keine Ahnung habe…“
„Ich hab nur Glück gehabt.“
„Die anderen sind echte Künstlerinnen – ich bin nur dabei.“

„Das ist doch nichts Besonderes im Vergleich zu…“

Sätze – im schlimmsten Fall ausgesprochen – die dich klein halten. Das damit verbundene Gefühl entsteht aber nicht, weil es tatsächlich so ist. Es entsteht, weil du dich auf Neues einlässt. Weil du wächst. Weil du über deine Komfortzone hinausgehst. Und genau dort meldet sich die Angst.

Diese Angst hält dich nicht nur klein. Sie nimmt dir Chancen. 

Vielleicht veröffentlichst du deinen Text nicht. Vielleicht bietest du dein Projekt nicht an. Vielleicht sagst du eine Ausstellung, Lesung oder Kooperation ab.

Oder du beginnst gar nicht erst.

Und so verpasst du genau das, was dir helfen würde, zu wachsen:
Erfahrungen. Entwicklung. Resonanz. Erfolg.

Nicht, weil du nicht könntest, sondern weil du dich zurückhältst.

Was hilft gegen diese Angst?

1. Erkenne den Unterschied zwischen Können und Gefühl

Du fühlst dich unsicher? Das heißt nicht, dass du das, was du tust, nicht kannst.
Viele Profis fühlen sich regelmäßig wie Anfänger, haben Lampenfieber, Zweifel.
Der Zweifel gehört dazu – aber er muss dich nicht steuern.

Gefühl ist nicht gleich Fakt.

2. Fang im Kleinen an – aber fang an

Zeig einen Text in einem geschützten Rahmen.
Lade eine kleine Gruppe zu deiner Ausstellung ein.
Beginne mit einem Mini-Angebot, statt gleich das große Projekt zu launchen.

Bewegung hilft. Im Tun kommt die Klarheit.

3. Mach dir bewusst: Kreativität ist keine Prüfung

Du musst niemandem etwas beweisen.
Nicht der Welt. Nicht deinen Lehrer:innen. Nicht deiner Familie.
Du darfst dich ausdrücken, ohne dich rechtfertigen zu müssen.

Du musst nicht „gut genug“ sein, um zu beginnen.
Du wirst besser, weil du beginnst.

4. Finde Gemeinschaft, nicht Konkurrenz

Such dir Menschen, die dich bestärken statt bewerten.
Ein Schreibkreis, ein Atelierkreis, ein Online-Netzwerk.
Wo du zeigen darfst, was entsteht – ohne dass es „fertig“ oder „brillant“ sein muss.

Sichtbarkeit wird leichter mit Gleichgesinnten.

5. Stell dir die Gegenfrage:

„Was, wenn ich gut genug bin – und ich lasse es unversucht?“

Was, wenn du dich aus Angst klein hältst – und dabei anderen Menschen genau das vorenthältst, was sie berühren, inspirieren, stärken könnte?

Was, wenn genau dein Text, dein Werk, dein Angebot eine Lücke füllt, die sonst leer bliebe?

6. Hör auf dir schon im Vorfeld Gedanken darüber zu machen, was andere vielleicht denken könnten

Du kommst ohnehin nicht darauf, was sie wirklich denken. Alle Spekulation bremst dich nur, und am Ende denken die Leute etwas völlig anderes. Und vor allem: Es ist total egal.

7. Führe eine Liste der Erfolge

Schreibe dir jeden Abend, einmal pro Woche, auf, was dir gelungen ist. Was du als Erfolg empfunden hast. Ganz gleich, wie klein oder groß dieser Erfolg war. Schreibe alles auf. Du wirst sehen, es ist eine ganze Menge.

8. Sprich ein tägliches Mantra vor dem Spiegel

Klingt vielleicht merkwürdig, tut aber gut: Mach dir selbst Komplimente vor dem Spiegel, sag etwas Nettes zu deinem Spiegelbild, bestärke dich. Und tauchen garstige Gedanken auf, übertöne sie mit positiven Worten.

9. Sei deine beste Freundin

Stell dir vor, deiner besten Freundin würde es so gehen wie dir. Was würdest du ihr sagen? Du würdest sie sicher bestärken, sie unterstützen, ihr Mut machen wollen. Schreib dir auf, was du ihr sagen würdest und lies es dir selbst vor – auch gerne vor dem Spiegel.

10. Rufe ein fröhliches „Na und?!“ in die Welt

Es ploppt wieder einer dieser Sätze mit den Zweifeln auf? Dann schleudere der inneren Stimme ein fröhliches, aber bestimmtes „Na und?!“ entgegen.

„Wenn die wüssten, dass ich eigentlich keine Ahnung habe…“ – „Na und?!“
„Ich hab nur Glück gehabt.“ – „Na und?!“
„Die anderen sind echte Künstlerinnen – ich bin nur dabei.“ – „Na und?!“

„Das ist doch nichts Besonderes im Vergleich zu…“ – „Na und?!“

Das tut gut, ist geradezu befreiend, und herrlich trotzig, wie ich finde.

Fazit: Du musst dich nicht erst beweisen.

Du darfst einfach anfangen. Die Angst, nicht gut genug zu sein, wird vielleicht nie ganz verschwinden, aber du kannst lernen, dich nicht mehr von ihr aufhalten zu lassen.

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